René

Wir schliefen gut im historischen Hotel Italia auf dem Großen Sankt Bernhard. Wir konnten fühlen wie sich die Leute vor 100 Jahren gefühlt haben und es fühlte sich gut an. Nach dem Frühstück fuhren wir die Paßstraße hinunter. Hier hat es Millionen von farbigen Blumen, viel mehr als unten im Talgrund. Das ist uns schon oft aufgefallen, dass zwischen 1000 und 1500m die Blumenwelt farbiger und bunter ist als unten in den Talebenen. Die Blumen sind klein, aber fein.

 

Am Anfang hatte es viele Kurven, wenig Verkehr und es war sehr schön. Bis Martigny sind es ca. 50km. Weiter unten nahm der Verkehr zu und wir passten gut auf. Wir fahren nicht gerne auf der Hauptstraße, wo es grosse Camions hat und viele Autos. Eigentlich machen wir das nie, hier mussten wir aber. Wenn immer möglich suchen wir Umwege. Hier war das nicht ganz einfach. Den ersten Teil fuhren wir auf der kurvenreichen Passstraße, da fahren auch die Autos langsam. Dann kam eine ganz lange Galerie. Durch die lange Galerie wollten wir nicht fahren. Es gab zum Glück auf der anderen Talseite einen schönen Weg dem Stausee La Toule entlang. Diesen Weg nahmen wir und kamen am Platz vorbei, wo wir letzten Sommer mal gecampt haben. Und auch die 100 Eringerkühe waren wieder am selben Ort. Dann konnte man noch weiter auf diesem Wanderweg und späteren Landstrasse fahren. Danach mussten wir zurück auf die Hauptstraße und da blieben wir bis nach Martigny. Zuunterst hatte es teilweise noch eine separate Fahrradspur auf der Hauptstrasse. Der Verkehr nahm aber zu und es war nicht angenehm.

 

In Martigny auf dem großen Platz gingen wir Mittag essen und Jan ass ein grosses Wienerschnitzel. Es war wirklich groß. Dann fuhren wir der Rohne entlang nach Sitten. Durch tausende von Obstbäumen und Millionen von Früchten. Wir probierten natürlich von allen ein wenig. Zuerst die Aprikosen, dann die Zwetschgen, dann die Erdbeeren, dann die Birnen und dann die Äpfel. Am Schluss hatten wir keinen Hunger mehr. Unglaublich, die Bäume waren voll mit Früchten und ganz viele lagen am Boden und alle waren supergut und genau richtig zum Ernten. Aber irgendwie hat sie niemand geerntet. Ein Walliser Apfel süss-sauer vom Baum, unglaublich dieser Saft und Frische. Im Geschäft ist davon schon etliches weg. 

 

Als wir uns mit unseren Velos der Hauptstadt Sitten näherten, beeindruckten uns von weither die imposanten Burghügel Valeria und Tourbillon. Im Zentrum angekommen, besuchten wir Hans-Robert Ammann, den früheren Chef des Staatsarchivs Wallis: immer frohen Mutes und zu einem Spruch aufgelegt. Er zeigte uns auf dem Planta-Platz, wo der Staatsrat tagt, ferner wo sich die Kathedrale und die Theodulskirche befinden und wo der Bischof und die Domherren wohnen usw., alles ganz in der Nähe des Planta-Platzes. Er machte uns auch auf interessante historische Bauten in den nahen verwinkelten Gassen der Altstadt aufmerksam und erzählte dabei spannende Geschichten. Zum Beispiel, dass beim Stadtbrand von 1788, der in einer Privatküche ausbrach, ein Grossteil der Stadt eingeäschert wurde. Durch Föhnsturm beschleunigt, zerstörte das Feuer zudem auch die bischöflichen Schlösser Majoria und Tourbillon, wobei das wertvolle bischöfliche Archiv und vieles mehr verloren ging. Nach diesem Stadtbrand hat der Saaser Architekt Johann Joseph Andenmatten um 1800 in der Altstadt mehrere imposante Wohnbauten geplant, besonders links und rechts entlang der Hauptstraße, Grand-Pont genannt. Von demselben Andenmatten stammt übrigens auch die originelle Rundkirche in Saas-Balen.

 

Bei ihm zu Hause bei Kaffee und Kuchen erzählte Ammann u.a. auch von den alten Pfarrbüchern, die es erlauben, viele Walliser Familien bis ca. 1620 zurückzuverfolgen. Die heutige Oberwalliser Bevölkerung geht größten Teils auf die Alemannen zurück, die um 800 von Norden her ins Rhonetal einwanderten und in der Folge bis in die hintersten Seitentäler vordrangen und sich allmählich mit der ansässigen kelto-romanischen Bevölkerung vermischten. Die frühen schriftlichen Quellen des Wallis gehen ins 10./11. Jahrhundert zurück und ab dem 13. Jahrhundert wird die urkundliche Überlieferung (alles auf Latein) immer dichter. Im Verlauf des 15. Jahrhunderts sind viele Zermatter ins Eringertal und nach Sitten und Umgebung ausgewandert. Davon zeugen schriftlich festgehaltene Käufe von Liegenschaften, die Zermatter Emigranten in Evolène, St. Martin, Brämois und in der Stadt Sitten getätigt haben. Ein Teil dieser Bevölkerung sind also Zermatter. Sitten blieb bis ins 19. Jahrhundert eine Kleinstadt: 1850 zählte sie nur gerade 3030 Einwohner. Ab dem 16. Jahrhundert wurde hier Deutsch immer mehr zur dominierenden Sprache. 1802 sprachen in Sitten noch 75% deutsch. Heute zählt die Stadt rund 37'000 Einwohner, von denen nur noch etwa 3 % deutscher Muttersprache sind. Eine wenig bekannte Entwicklung, die uns erstaunen lässt.

 

Es war schon dunkel, als wir Hans-Robert und seine Frau Chantal verließen.

Beiden besten Dank für den netten Empfang und das interessante Gespräch!


Grosser Sankt Bernhard 2469m - Martigny 471m


Martigny 471m


Martigny 471m - Sitten 500m


Sitten 500m


Jan

Heute beginnt der 4 Tag von unserer Tour. Wir haben so tief und fest wie zwei Murmeltiere im Winterschlaf geschlafen. Am Morgen hat uns dann ein Vogel aufgeweckt. Wir kamen kaum aus den Federn. Als wir es geschafft haben, ging es erst mal in den Frühstücksaal. Hier haben sie das Morgenessen schon vorbereit. Es war schon alles auf dem Tisch. Als wir uns satt fühlten, ging es zurück aufs Zimmer. Dort machte ich am Bericht weiter, weil Papa noch ein wichtiges, langes Telefonat hatte. Zum Schreiben war die Aussicht top. Am Morgen hatte es ein wenig Nebel, aber der hat sich mit der Zeit aufgelöst und ist verschwunden. Ach ja, noch etwas, hier oben draußen ist es an manchen Orten sehr frisch, weil hier der Wind kräftig blasen kann. Im Zimmer hört man davon aber nichts. 

 

Als Papa mit dem Telefonat fertig war haben wir uns bereit gemacht, um zu starten. Unser Ziel war Martigny. Wenn wir dann noch Zeit und Lust haben, fahren wir vielleicht bis nach Sion. Aber erstmal schauen wir, daß wir ganz in Martigny ankommen. Als die Velos aus dem Velohaus geholt wurden und bereit waren, ging es los. Ach ja, der Wind das himmlische Kind hat uns ein wenig runter gekühlt. Ich dachte ich brauche keine Jacke anzuziehen, sonst wird mir zu heiß. Papa hat sie schon am Anfang angezogen, ich musste es später nachholen. Wir fuhren auf der Passstraße runter. Bei einer Kurve hat Papa etwas Schönes gesehen und hat es fotografiert. Weiter unten wurde mir langsam zu kalt und ich zog auch die Jacke an. 

 

Zur gleichen Zeit hat Papa gefragt, ob wir auf der Passstraße bleiben wollen oder nicht. Er ist nicht so der Fan von Hauptstrassen. Somit probierten wir es zu vermeiden. Wir sind dann mal bis zum Eingangsportal von der langen Gallerie gefahren, dort haben wir die Lage neu bestimmt. In diesem Abschnitt gibt es eine zweite Variante, die nicht auf der Hauptstrasse ist. Wir haben beschlossen diesen Teil nicht auf der Hauptstrasse zu fahren, sondern daneben. Somit ging es von der asphaltierten Strasse auf die andere Seite vom Bach auf eine Schotterstrasse. Danach wurde es immer schmäler und am Schluss war es ein Wanderweg. Der Weg war aber sehr gut und wir konnten das meiste fahren. Es ging am Stausee la Touls entlang. 

 

Als wir die Mauer erreicht haben, kam uns etwas in Erinnerung. Genau hier haben wir letztes Jahr übernachtet, als wir mit dem Camper das ganze Wallis erkundet haben. Das war auch ein schönes und spannendes Abenteuer das genau 30 Tage dauerte. Das vergisst man nicht so schnell. Ab hier konnten wir wieder auf der Strasse fahren. Dort waren wir dann auch schneller Unterwegs. Am Ende der Strasse kam wieder die gleiche Frage auf. Auf der Passstraße oder Nebenstrasse weiter. Wir sahen aber keine Nebenstrasse mehr, so fuhren wir auf der Passstraße weiter. Das war nicht einfach und auch kein Spass. Wenn man hier nicht aufpasst und einen Fehler macht, ist ein Unfall schnell aufgebaut. Und wie schlimm das sein kann, daran möchte ich nicht denken. Somit volle Konzentration und der Kopf bei der Sache. Papa hat mich vorgelassen und kam dicht hinter mir her. Dieses Mal hatte ich es besser im Griff als von Cervina nach Valtournache. Ich bin bei jeder grossen Ausweichstelle rausgefahren und haben die Autos vorbeigelassen. Und Papa hat mir zwischendurch immer wieder gesagt ob hinten Autos kommen oder alles gut ist. Als wir ein paar Kilometer auf der Passstraße fuhren, haben wir noch einmal nachgeschaut, ob es einen Nebenweg gibt oder nicht. Es war gleichzeitig eine kleine Pause. 

 

Aber die Nebenwege waren zu kompliziert und zu weit weg und so fuhren wir auf der Passstrasse weiter. Mir kam manchmal vor das die Passstrasse nie aufhören will. Wir fuhren Kilometer um Kilometer und viele Autos und Camions überholten uns. So ging es runter bis nach Martigny. Später ist Papa dann wieder vorgefahren, und mit Pausen oder langsam fahren war nicht mehr viel. Ich musste schauen, dass ich ihm auf den Fersen bleibe. Das war ein wenig anstrengend. Weiter unten hat Papa mir dann noch etwas erklärt. Wenn man im Windschatten vom anderen fährt, muss man weniger in die Pedalen treten. Der Windschatten besteht nur ein paar Meter hinter dem vorderen Fahrer. Darum rief mir Papa immer wieder ich solle dranbleiben, dann gehe es einfacher. Denn es hatte recht starken Gegenwind. Mit der Zeit habe ich es dann begriffen.

 

Als wir in Martigny ankamen, waren wir glücklich dass wir es geschafft haben. Ich brauchte jetzt erstmal eine Pause, weil mir der Magen knurrte. Papa hatte schon einen Plan. Er gab es im Google Maps ein und dann fuhr ich hinter ihm her durch die Stadt. Am Schluss sind wir nicht auf dem Hauptplatz von Martigny gelandet, sondern in der Sirup-und Schnapsfabrik von Morand. Dort haben wir noch etwas über Sirup gelernt. Papa schrieb ihnen vor kurzer Zeit ein E-Mail mit Fragen über ihre guten Sirups, und per Zufall fuhren wir da jetzt vorbei und konnten mit ihnen die Fragen diskutieren.

 

Danach fuhren wir zum Hauptplatz und machten ein paar Fotos und suchte uns ein Restaurant aus. Als das Essen kam, waren wir erstaunt wie gross das Schnitzel war. Das Schnitzel hat den größten Teil vom Teller gebraucht. Den also en Güeta.

 

Heute sind wir bis jetzt um die 50km gefahren und wir beschlossen heute noch nach Sion zu fahren. Insgesamt waren wir bis jetzt ca. 200 km unterwegs. Das ist schon recht viel. Der Start war schwer, aber danach ging es immer besser und ab hier müssen wir nur noch den Wegweisern folgen. Die Fahrt nach Sion war sehr schön, leicht und entspannend. Es ging den grossen Teil an der Rohne entlang. Auch hier sieht man, dass die Rohne Hochwasser hatte. Wie hier im Wallis übliche gibt es an einer Seite viele Rebberge und unten in der Talebene sind die Aprikosen der Schlager. Es gab auch noch andere Früchte zum Probieren. Man fährt oft mitten durch die Ackerfelder und Obstplantagen. Das war auch ein Abenteuer. Wir haben dann zwischendurch mal eine Sorte nach der anderen probiert. Sie waren sehr lecker. 

 

Es ging nicht nur an der Rohne und an Anbauflächen vorbei, sondern auch an orangen Tafeln. Ich habe mich gefragt für was wohl diese orangen Tafeln sind, die alle 100m kommen. Wenn man genauer hinschaute, sind es die Markierungsstangen der unterirdischen Erdgasleitung die vom Genfersee bis ins Oberwallis verläuft. Als wir in Sion ankamen, gingen wir einen Bekannten von Papa besuchen. Der wohnte ca. genau in der Mitte der Altstadt. Er hat uns zu Kuchen und Kaffee eingeladen. Das war sehr nett von ihm. Wir sind länger dagewesen als ursprünglich geplant. Die Diskussion war aber sehr interessant und wir haben etliches dazugelernt. Danke vielmals. 

 

Als wir dann auf die Suche nach einem Bett waren, war es schon um 21.00 Uhr. Papa hat ein Hotel gefunden, aber das war leider ausgebucht. Die Rezeptionistin hat uns dann beim Suchen weitergeholfen. Nach ein paar Telefonaten fanden wir dann doch noch ein Bett. Wir gaben den Namen in Google Maps ein und dann haben wir es gefunden. Wir haben gerade noch das letzte Zimmer bekommen. Den es standen noch andere an der Reception und die bekamen keines mehr.  Das Hotel war sehr gross, aber das hat trotzdem nicht ausgereicht. 

 

Als Papa das Zimmer gezahlt hat ging es noch um die Velos zu verräumen. Wie normal ist braucht ein E-Bike nach einer solchen Tour Strom, sonst kommen wir morgen nicht weiter. Also hat Papa gefragt wo eine Steckdose ist. Sie haben einfach gesagt sie wissen es nicht. Wir sind dann durch das ganze Parkhaus und Keller gelaufen und fanden keine einzige Steckdose. Das gibt es wohl nicht. In einem neuen, schweizer Parkhaus keine Steckdosen. Das haben wir noch nie gesehen. Somit haben wir beschlossen die Velos ins Zimmer zu nehmen. Ich war froh, dass das Zimmer im ersten Stock lag. Wir mussten die Velos durch das Evaquirungstreppenhaus hochnehmen. Als wir die Velos eingesteckt hatten, bin ich wie mausetot ins Bett gefallen und habe direkt geschlafen. Die Energie war nicht mehr vorhanden, um noch etwas Abend zu essen.