René
Wir übernachteten also in der Hütte Pastore, genau in der Nacht war dort ein Kontroll- und Verpflegungsposten ein paar Meter von unserem Zimmer entfernt des UTMR Laufs. Um 20:00 durften wir unsere Bikes in den Esssaal nehmen und dort einstecken, dies schlug die Patronin vor. Ich traute dem Stromnetz nicht ganz, weil schon während des Abendessens die Lichter manchmal flackerten wie in einer Diskothek. Wir steckten die Bikes ein und machten ab, dass wir um 21:00 kontrollieren dürfen, ob die Bikes am Laden sind. Prompt luden sie nicht, wir steckten sie aus und wieder ein und sie luden wieder und wir gingen ins Bett.
Am Tag danach um 7:00 ging ich nochmals schauen, prompt waren sie nicht geladen. Wir steckten sie aus und wieder ein, sie luden für wenige Minuten und dann wieder nicht mehr. Wie sollen wir über den Colle del Turlo, wenn die Batterie erst bei 40% ist. Wir blieben über 1 Stunde bei den Bikes und jedes Mal, wenn sie nicht luden, steckten wir sie aus und wieder ein. Die Elektronik der Ladegeräte mag diese Stromschwankungen nicht und stellt sich automatisch ab. Wir versuchten einiges, das Ladegerät kam warm und wir umwickelten es mit einem kalten Tuch, nachher legten wir es auch mal in den Tiefkühler, aber an dem lag es auch nicht, am eventuellen Überhitzen des Ladegerätes. Hier in Macugnaga am normalen Stromnetzt kamen die Ladegeräte genau gleich warm. Jans Bike mit etwas älterer Technik war ziemlich ganz geladen, mein neues Bike zu 52 %. Ein wenig ein ungutes Gefühl um auf einen hohen, langen Pass zu gelangen der mit ca. 8 Stunden angeschrieben ist. Wir gingen trotzdem los.
Und unser Gepäck wird immer schwerer. In Alagna kauften wir im Tourismusbüro ein paar Bücher über die Walser, auch aus Gressoney nahmen wir Bücher mit. Nun haben wir zusätzlich noch ca. 5 kg Bücher mit und die Batterie ist nicht geladen.
Auf den Turlo hoch und hinten runter geht wie eine kleine Passstraße, ca. 1.2 - 1.8 m breit. Die Alpensoldaten "Alpini" bauten sie in den 1920er Jahren um die Grenze zu verbessern. Sehr imposant, kilometerlange Mauern im steilen Gelände. Weil sie nicht unterhalten wird, ist sie natürlich an vielen Orten verfallen, vom Steinschlag zerschlagen. Es versperren riesige Steine den Durchgang, sie ist zugewachsen oder ausgewaschen. Deshalb sind wir das meiste auch gelaufen und so war meine Batterie auf dem Pass noch bei 16% und in Macugnana bei 7%. Das Batteriemanagment ging also auf mit viel Laufen und einer tiefen Fahrradunterstützung.
Wikipedia: Der bestehende Saumpfad, der zum Pass führt, wurde in den 1920er Jahren zu militärischen Übungszwecken von den Alpentruppen des Intra-Bataillons angelegt; An mehreren Stellen sind jedoch neben dem genutzten Saumpfad deutliche Spuren des alten gepflasterten Weges mittelalterlichen Ursprungs zu erkennen, der im 13. Jahrhundert von der Walserbevölkerung genutzt wurde.
Der Weg, der Pass, die Umgebung sind imposant, man ist zum Teil schon im Gebirge unterwegs. Genau heute war auch dieser Monterosalauf (UTMR) und viele Läufer überholten uns. Wir liefen ja auch aber mit ca. 40 kg Bikes. Auf dem Turlo assen wir gut Mittag, sprachen mit einem Bergführer Namens Viotti, der Verwandte in Zermatt hat und auch Bikeführer ist. Er erzählte uns von seinen Bike Touren und wo er schon überall gewesen ist. Mehrere Läufer fragten uns nach Wasser, wir hatten aber selber keines mehr. Manche Läufer schmunzelten, dass sie hier oben Bikes sahen, manche sagten uns beim Auf- und beim Abstieg: Chapeau… not easy….difficult….impossible…. . Die meisten waren erstaunt, dass wir mit den Bikes unterwegs sind. Sie haben Mühe zu Fuss hier hoch und runterzukommen und dann kommen da zwei mit Bikes. (:- Wir sagten uns schmunzelnd, die haben zu Fuss Mühe, wie wollen die da noch ein Bike mitschleppen. (:- In Macugnaga fuhren wir auch durchs Ziel wo die Läufer gingen. Manche lachten, manche gratulierten uns, weil sie uns auf dem Weg angetroffen haben. Colle del Turlo ist schlussendlich sicher nichts für eine Bike Tour, um im Sattel zu sitzen. Die Strasse / Weg ist mehrheitlich schlecht, immer mit vielen Steinen, oft kommt man sich vor man sei in einem Bachbett unterwegs, es hat einfach zu viele, unmöglich angeordnete Steine, als das man fahren könnte. Ich verwundere mich immer wieder das diese Bikes bei diesen stundenlangen heftigen Schlägen nicht auseinanderfallen und kaputt gehen.
In Macugnaga gingen wir aus Tourismusbüro uns sprachen lange mit der Dame die dort arbeitete. Sie heisst Daniela Valsesia und war sehr sympathisch und erzählte uns viele spannende Sachen über Macugnaga. Per Zufall war ihr Vater (Teresio Valsesia) Mitbegründer des „Schmugglermuseums“, Journalist und schrieb auch ein Buch über die Monterosatour. Sie selber engagiert sich das Macugnaga ein Walser Wörterbuch auf die Beine stellt und Abendkurse gibt. Die Nachbargemeinden haben solche Wörterbücher, Macugnaga noch nicht. Macugnaga hat ca. 500 Einwohner, Schmugglermuseum, Walser Museum, Goldmiene und viele Sachen mehr.
Gestern am 8. September (Achter Tag des Herbstes) wurde in Saas Fee das Kapellenfest "Zur hohen Stiege" gefeiert. Eine Delegation von Macugnagna nahm mit ihren typischen Trachten am Anlass teil. Es waren um die 15 Leute die mit dem Auto nach Saas Fee fuhre und manche gingen auch zu Fuss über den Monte Moro Pass.
Also Saas Fee und Macugnaga verbindet noch heute ihren gemeinsamen Ursprung. Auch hier heissen die Hotels Monterosa, Dufour, Restaurant Roffel usw. Wir gingen noch ins Hotel Zumstein, dort erzählte uns der alte, rüstige Patron (83 Jahre alt) der noch jeden Tag im Betrieb mitarbeitet und nichts dem Zufall überlässt und gut Hochdeutsch spricht, dass es in Macugnaga noch 2 Familien gäbe, die gut Walliser Titsch reden. Die wohnen etwas weiter weg, aber auf dem Dorfplatz im Sportgeschäft Oberto rede der Sohn eines bekannten Bergführers auch noch Walsertitsch. Dort gehen wir dann morgen hin. Schönes Dorf dieses Macugnana. Auch seine Frau (80 Jahre alt) arbeitet jeden Tag noch im Hotel mit.
Am Abend gingen wir in die Pizzeria Roffel noch Pizza und Fleisch essen. Wir saßen direkt neben dem Pizzaofen und konnten zuschauen wie der Pizzaiolo die Pizzas machte. Manchmal 6 Stück zur gleichen Zeit. Er war schnell und gut, jeder Handgriff sitzte und er hat das schon tausende Male gemacht, das merkte man ihm an. Ca. 2.5 Minuten waren sie im Ofen und dann weg. Es war recht viel los und es lief ohne Diskussionen, reibungslos. Die Chefin immer am richtigen Ort im Einsatz, die machen das gut und nicht zum ersten Mal, bravo!
Von Zermatt bis hierher (Macugnaga) haben wir nie jemanden gesehen der auch mit dem Bike unterwegs war. Nicht in Saint-Jacques-des Allemends, Champoluc, Gressoney, Alagna, Macugnaga…. Komisch, nicht ein einziger Biker in den letzten paar Tagen. Nicht in den Dörfern und auch nicht unterwegs.
Hütte Pastore bis Macugnaga waren wir 4:20 unterwegs mit ca. 2 Stunden Pause also um die 6,5 Stunden, und es waren 22km an diesem Tag mit 3000m Höhenunterschied (ca. 1600 hoch und 1400 runter). Jan hat bisher nie gejammert, ist immer gut dabei und gut gelaunt und überholt mich in der Zwischenzeit schon manchmal. (:- Gestern sagte er, ihm tun nicht die Beine weh, sondern die Handgelenke. Kein Wunder, wenn man den ganzen Tag über holprige, unwegsame Wege läuft und fährt und das 40 kg Bike oft heben und über Hindernisse tragen muss. Güetnacht!
Aufbruch am Morgen in der Pastore Hütte 1575m
Alagna (Pastorehütte 1575m) - Colle del Turlo 2738m
Jan
Diese Nacht war wieder besser, ausser dass die Velos nicht geladen wurden. Vom Laufrennen habe ich nichts gehört, weil ich glaub, steinhart geschlafen zu haben. Das Rennen ging gerade ein paar Meter neben unserem Zimmer vorbei. Als erster probierten wir noch möglichst viel Strom in die Velos zu bekommen, um auf den Pass del Turlo zu gelangen. Wir sahen am Morgen schon an den Lampen, dass die Velos in der Nacht nicht geladen wurden, weil das wacklige Stromnetz es verhinderte. Die Ladung unterbrach alle paar Minuten und wir mussten daneben bleiben, um das immer wieder neu anzukurbeln. Mein Velo war ziemlich geladen und als Papas Velos endlich über 50% hatte gingen wir trotzdem los und warteten nicht länger. Heute ging es die gleiche Strecke entlang wie das Laufrennen UTMR, auf einer alten, schmalen Militärstrasse (eher ein Weg) hoch auf den Pass del Turlo (ca. 1600 Höhenmeter).
Der Start war gut und es war möglich zu fahren bis ca. zur Baumgrenze. Nach der Baumgrenze ging es ein Teil flacher rein. Weil der Hang gelegentlich rutscht, ist die schmale Militärstrasse an etlichen Orten kaputt. Ach ja, hier oben gab es auch noch eine verlassene Alp mit zerfallenen Gebäuden. An ein paar Orten haben sie kleine Brücken gebaut und auch sehr hohe, lange Mauern gemacht. Sie hatten sehr gut gearbeitet und hatten das fertig gebracht. Nur zum Sagen, die Mauern sehen trotz ihre Bauzeit vor fast 100 Jahre noch gut aus und die Maurer hatten Talent und konnten die Steine gut «lesen» und zusammenstellen. Auch erstaunte uns, dass sie riesige Steinplatten verbaut haben, die so gross sind wie ein Bett oder noch grösser und dementsprechend locker auch mal 1000kg haben, und all das von Hand. Es ist eine schmale Strasse 1.2-1.8m (breiter Weg) und fast überall war er gepflastert wie ein alter Römerwerg. Weiter oben der letzte Aufstieg war der schwerste Teil, weil dort Steinschlag ist und der Weg an etlichen Stellen verschüttet oder zerschlagen wurde. An manchen Ort musste man das Velo darüber tragen und sehr aufpassen. In diesem Teil kam es noch schlimmer, weil immer mehr Läufer kamen, wurde es eng bei manchen Passagen, die Läufer, das Fahrrad und wir. Papa hat mir an ein paar Orten geholfen über oder durch die Steine zu kommen. Oben waren wir erleichtert, dass wir es geschafft haben und waren ein wenig erschöpft.
Während dem Mittagessen liefen immer wieder Läufer an uns vorbei. Fast alle waren erstaunt das hier oben zwei E-Bikes stehen. Fast alle fragten uns, ob es uns gut geht? Papa meinte nachher nur, dass die Läufer selbst schwer hochkommen, kämpfen müssen und erschöpft sind und dann sehen sie uns mit den Bikes hier oben, und greifen sich darum ein wenig an den Kopf? Die Aussicht war hier oben top und wegen des Laufs war hier oben heute auch recht viel los. Von Alagna bis Macugnaga also auf 6-7 Stunden Strecke, gibt es keinen einzigen Verpflegungsposten oder sonst was. Jeder Läufer trägt ein kleines, gelbes Kästchen mit, ein GPS-Sender und so weiss man immer wo sich gerade welcher Läufer befindet und könnte ihnen so helfen, wenn sie verloren gehen oder sich lange nicht bewegen, weil sie zum Beispiel in der Nacht einen Unfall gemacht hätten.
Nach dem Mittagesse ging es weiter Richtung Macugnaga. Der Anfang war einfach, weil der Weg recht gut war. Hier war er noch in gutem Zustand. Die Mauern waren ganz und die Pflaster Steine waren noch schön. Aber trotzdem bin ich nicht gefahren, weil die Kurven für mich zu eng waren. Weiter unten sah man den ganzen Hang runter und wusste dort geht's lang. Auf dem Weg sah man viele Läufer. Den ganzen Hang hinunter ging ich im Gänsemarsch oder besser im Schneckentempo. Weil der Hang manchmal rutscht und das Regenwasser die Strasse ausschwemmt und kaputt macht, ist sie nicht mehr die neuste und oft in schlechtem Zustand. An manchen Orten wurde es sehr eng und dementsprechend musste man aufpassen. Am schlimmsten waren die engen Kurven. Man fragt sich, wie die das wohl mit Pferden und eventuell Anhängern bewältigt haben. Auch diese Seite war durch die Läufer ein wenig gefährlicher geworden und wir konzentrierten uns noch mehr und machten vorwärts. Fast jeder Läufer, der uns überholte, hat uns gefragt, ob es uns gut geht und was wir hier machen. Die Läufer waren meistens schneller als wir mit den Velos, besonders da wo der Weg steil und schlecht war und das war an vielen Orten.
Uns hat stetig einer überholt. Unten am Ende des steilen Hanges schauten wir noch mal hoch und waren erstaunt, was wir gemacht haben. Papa meinte nur zwei Sachen dazu. Eines ist, dass die Italiener sehr viel Mut hatten, um das zu bauen. Man denkt nicht, dass man hier eine schmale Strasse bauen könnte, und das war eine fantastische Leistung. Das zweite ist, dass die meisten Läufer mit einem Velo kaum hier runterkommen würden, weil sie zu Fuss schon kämpfen müssen.
Nach einer kurzen Pause bei einem roten Biwak ging es weiter. Zuerst ging es flach und im Gänsemarsch vorwärts bis der Weg bei einer verlassenen, zerfallenen Alp steil runter ging. Der Teil war der schwerste. Dort sah man nur Reste oder kleine bis mittele Teile der Strasse oder paarmal auch grössere. Hier ging es sehr mühsam voran. Hier hat der Regen mit der Zeit die Strasse ausgeschwemmt und kaputt gemacht. Durch die lange nicht Nutzung ist hier ein halber Dschungel endstanden. Den ganzen Hang ging es so weiter. Im Hang war noch was Besonderes zu sehen. Dort ging ja die Militärstrasse runter und die ist ja fast nicht mehr zu erkennen aber an einem Ort gab es noch eine Kurve die noch in Takt war und ganz aussah. Weiter unten ging es dann flach das Tal raus aber immer noch im Gänsemarsch, weil der Weg schlecht war.
Plötzlich hat Papas Velo komische Geräusche gemacht also haben wir es geflickt, dass es kein Krach mehr machte. Nach dem wir es geflickt haben kam eine Holzbrücke. Die sah nicht mehr wie die Neuste aus und war halb verfault. Nach der Brücke konnten wir wieder fahren. Beim ersten Restaurant, das wir gesehen haben, haben wir Energie aufgetankt, weil wir schon lange unterwegs waren und nur knapp zu trinken hatten. Der letzte Teil nach Macugnaga war eine gute Strasse und wir haben etliche Läufer überholt und sie haben auch ein wenig geschmunzelt, weil sie vorher uns überholten und wir einander heute schon mehrmals gesehen haben.
Als wir endlich in Macugnaga ankamen waren wir erleichtert, weil wir es geschafft haben. Dort haben wir im Ziel der Läufer nochmals was getrunken und dann ein Hotel gesucht, um auszuruhen. Weil das Hotel auch eine Wellness Anlage hatte, gingen wir dort noch schnell hin und dann ging es Pizza und Fleisch essen. Am Abend sind wir Tod müde ins Bett gefallen.
Noch etwas über den Pass del Turlo. Der Pass sei der strengste Pass, den es in den Alpen gibt. Früher brauchte man 10 Stunden, um ihn zu machen, heute nur noch 8 Stunden, weil man näher ranfahren kann. Man hat eine schmale (1.2 – 1.8m) Militärstrasse gebaut, um Material zu transportieren und den Pass zu schützen. Der Weg ist aber in einem schlechten Zustand und darum hat Italien endlich beschlossen ihn im nächsten Jahr zu sanieren.
Colle del Turlo 2738m - Macugnana 1327m - 530 Einwohner
Macugnaga am Abend